ICH SCHREIBE, WEIL ICH NICHT WEISS WAS ICH DENKE…

…BIS ICH LESE, WAS ICH SAGE

– Flannery O’Connor

Jeden Abend habe ich meinen Vater schreiben sehen und es hat mich wohl in seinen Bann gezogen. Als ich 7 wurde bekam ich es dann endlich: mein erstes Tagebuch. Angefangen hat es mir Kindereien, den Teppich den ich gesehen habe und den ich so gerne hätte, Banalitäten wie der erste Eindruck der Wohnung meiner Schwester oder was ich gerade gemacht habe und bei wem ich eingeladen war.
Als ich älter wurde änderte sich das. Schreiben wurde für mich zum Rettungsanker und hat seither eine heilende Wirkung auf mich. Oft hat es mich vor dem ertrinken bewahrt. Seinen Gedanken Raum geben um zu sein, sie zu verstehen und herauszufinden, was hinter ihnen steckt. Oft war Schreiben für mich das erkennen was in mir vorgeht und warum es mir wie geht. Den Tot meiner Mutter habe ich nicht aufgeschrieben, auch nicht meine Krankheit die mich kurz danach heimgesucht hat und mir fast das Leben kostete. Manche Dinge sind vielleicht nicht zum Schreiben gedacht. Andere dann wiederum schon, so wie die Geburt des ersten Kindes, die Hochzeit  oder Erinnerungen aus längst vergangener Zeit die durch das Papier frisch und unberührt bleiben und man so immer wieder und wieder erleben kann. Ich bin froh und dankbar darüber, gewisse Erlebnisse aufgeschrieben zu haben und sie so nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie aufbewahrt zu haben. Wie kostbar Erinnerungen doch sind, und wie leicht sie getäuscht, getrübt oder vergessen werden können. Papier ist wie eine Schatztruhe, die eben dieses Besondere gut behütet und beschützt, damit es nicht irgendwann nicht einmal mehr im Traum Wirklichkeit gewesen zu sein scheint.

Ich kann mir in leisen Momenten der Ruhe nichts wohltuenderes vorstellen, als zu schreiben. Das Papier wurde zu meinem besten Freund, Geduldig aber auch unvergesslich – denn was einmal aufgeschrieben ist vergeht nicht, wird auf einmal zur Wirklichkeit – auch wenn es nur ein Hirngespinst gewesen sein mag.

Eure

A.M.