Unser Glückskind ist nun schon seit einem Monat bei uns und erfüllt jeden Tag mit unglaublicher Freude. Der Spitzname ,,Glückskind” trifft es genau, denn dieses Kind bringt unheimlich viel Glück in unser Leben.
Vor einiger Zeit bin ich über einen Blogeintrag einer Zero Waste Bloggerin gestoßen, in dem sie über Zero Waste Beerdigungen schreibt und fand das Thema äußerst unpassend. Jeder der schon einmal einen lieben Menschen verloren hat weiß, dass man in so einer Situation an vieles denkt, aber nicht an Müll – denn der ist da Nebensache. Vor der Geburt habe ich mir ab und zu Gedanken gemacht, wie viel Müll bei dem Ereignis Geburt produziert wird, und eins muss ich sagen: es ist auch da nicht wichtig. Es ist bestimmt einiges an Müll-zumindest bestimmt mehr als in mein Glas passen würde. Die Blutabnahmen, Bettschoner, Latexhandschuhe, Infusionen und Einwegtücher werden in Windeseile vebraucht – aber in so einem wunderbar magischen Moment einer Geburt ist all das nur Nebensache. Man sollte sich nicht zu Beginn oder zum Ende eines Lebens Gedanken über die Müllproduktion machen, sondern lieber zwischendrin. Und deshalb möchte ich hier auch gar nicht aufzählen, wie viel Müll zustande gekommen ist, sondern über das schreiben, was bei einer Geburt wirklich wichtig ist.
Vielleicht haben einige von euch meinen Beitrag zu 40 WOCHEN SCHWANGER gelesen, in dem ich schreibe, was ich tue, um mich auf die Geburt vorzubereiten. Ich habe vor allem darüber geschrieben wie wichtig ich es finde, entspannt zu sein und vertrauen in sich und seinen Körper zu haben. Offen zu sein. Offen für alles was kommt. Vielleicht hätte ich mir in den ersten Stunden in denen die Geburt (zumindest theoretisch) losging, diesen Eintrag selbst nochmal durchlesen sollen. Denn als Nachts meine Fruchtblase geplatzt ist und die Wehen aber erst die Nacht darauf eingesetzt haben hätte ich Entspannung und Vertrauen gut gebrauchen können. Offenheit hätte auch nicht geschadet, denn offen war ich in dieser Situation ganz und gar nicht. Nie hätte ich mir gedacht, dass dieser doch eher seltene Fall der geplatzten Fruchtblase ohne Wehen gerade mir passieren wird, und deshalb habe ich wohl auch sofort zugemacht und somit alles etwas in die Länge gezogen. Vor allem als ich sehr bald nach meiner Aufnahme im Krankenhaus das Wort ”Geburtseinleitung” hörte, war es für mich getan und ich machte zu. Alle Fenster alle Türen und Mäuselöcher – so sollte mein Kind sicher nicht auf die Welt kommen. Nach einer schlaflosen Nacht mit einer schnarchenden Zimmergenossin wartete ich also vergebens auf Wehen. Ich hatte eine Schonfrist bis 19 Uhr bekommen, was den Druck Wehen zu bekommen erhöhte und alles schlimmer machte. Ich fühlte mich vor eine unbewältigbare Aufgabe gestellt. Als bis Abends natürlich keine Wehen kamen wurde alles noch schlimmer. Ich fühlte mich wie vor den Schlächter gebracht, machte mich bereit für das ungewollte Eingreifen in meine Entscheidungsfreiheit. Der Kontrolle beraubt zu werden ist eines der schlimmsten Dinge für mich und etwas, womit ich gar nicht umgehen kann. Augenblicklich fühle ich mich in solchen Situationen wie gelähmt durch meine Machtlosigkeit.
Aber zum Glück habe ich meine eigene Hebamme mit ins Krankenhaus genommen. Und hier möchte ich auch gleich ein Hoch auf sie ausschreiben. Ich habe es ihr schon oft genug persönlich gesagt, aber ich muss es auch hier nochmals festhalten und euch dringend ans Herz legen: nehmt eure eigene Hebamme mit. Sucht sie euch gewissenhaft aus, baut Vertrauen zu ihr auf und versucht zu spüren, ob ihr zusammenpasst – denn das ist wohl das Wichtigste. Als ich mitten in der Nacht mit geplatzter Fruchtblase ins Krankenhaus kam war sie da, hat mich aufgenommen, mir Sorgen genommen und geschaut, dass es mir gut geht, mir versichert, dass sie am Morgen wieder kommt um nach mir zu sehen. Zu wissen, dass da jemand ist der mich kennt, der sich für mich einsetzt ist unbezahlbar. Und genau das tat sie dann am Abend um 19 Uhr, als die Wehen nicht kommen wollten und ich wieder den Tränen (die mein Mann den ganzen Tag über so liebevoll aufgefangen hat) nahe war.
Sie setzte sich für mich ein und überzeugte den Arzt mit der Einleitung doch noch zumindest bis zum nächsten Morgen zu warten, denn mir und dem Kind gehe es gut und es eile nicht die Geburt zu starten. Aber nicht nur das: sie sprach mit mir. Fragte mich, was los ist, warum ich dieses Kind, unser Glückskind, nicht kommen lassen möchte. In mir drin schrie es: ,,Aber ich möchte es doch kommen lassen…”, und im Nachhall war leise zu hören: ,,…aber nicht so!” Die unvorhergesehene Situation stand mir im Weg. Ich hatte das Vertrauen in mich und meinen Körper verloren. Den ganzen Tag über hatte ich verkrampft auf das Einsetzen der Wehen gewartet und verlor mit jeder Minute die verging das Vertrauen, dass mein Körper das von sich aus schaffen kann. Mir wurde bewusst, dass ich mir selbst im Weg stand. Also versuchte ich ihrem guten Zuspruch zu folgen und mich zu öffnen – das Vertrauen das ich all die neun Monate über hatte wiederzufinden und wieder genauso entspannt zu werden wie ich es bisher war.
Matthias und meine Hebamme fuhren nach Hause und ich ging früh zu Bett. Ich wusste, dass ich den Schlaf brauchen werde – denn um Mitternacht fingen die Wehen an. Zuerst nur ganz sanft, so sacht, dass ich dazwischen noch schlafen konnte, dann immer stärker und intensiver. Immer wieder rief ich meine Hebamme an um sie auf dem Laufenden zu halten. Als ich dann in den Kreissaal geschickt wurde um ein CTG zu schreiben wurde sie von der diensthabenden Hebamme herbestellt und ich habe Matthias angerufen. Danach dauerte es noch um die fünf Stunden bis unser Glückskind endlich da war. Fünf aufregende Stunden, in denen ich immer wieder die Stimme meiner Schwester in meinen Gedanken hörte: ,,Lass den Schmerz zu, kämpf nicht dagegen an.” Ich versuchte jede Wehe einzeln zu nehmen in dem Moment als sie kam, nicht darüber nachzudenken was noch kommen wird und entspannt zu bleiben. Ich hatte das Vertrauen in mich und meinen Körper wiedergefunden und wusste, dass ich das schaffen kann – das wir drei das gemeinsam schaffen können. Und so war es auch. Nach vier Stunden Wehen, die in den Wehenpausen vergessen wurden und mit Scherzen aufgelockert waren und einer Stunde Presswehen, die ich nicht so schlimm empfand weil ich endlich aktiv mithelfen konnte unser Glückskind auf die Welt zu bringen, war es dann endlich da.
Ein unbeschreiblicher Moment für den es einfach keine Worte gibt.
Zu spüren, wie dieses Wesen, dieser Körper der so lange in meinem war, mit dem man eins war, aus einem rausrutscht ist unbeschreiblich. Den ersten Schrei danach zu hören noch unbeschreiblicher. Nur Sekunden danach hörte ich Matthias sagen: “Es ist ein Junge! Wir haben einen Jungen!”. Ich setzte mich auf, und da lag es plötzlich – mein Glückskind. Zwischen Blut, Schleim und Fruchtwasser. Plötzlich da, nach all dem Warten, Sehnen und Hoffen. An einem Sonntagmorgen, in Begleitung von Vogelgezwitscher und sanftem Sonnenschein kam es endlich zu uns und erfüllt seither jeden Tag mit der größten Freude die man sich vorstellen kann. Ich bin so dankbar für diesen Jungen und dass er sich entschlossen hat, zu uns zu kommen. Und ich bin so dankbar dafür wie er zu uns gekommen ist. Meine Hebamme war wunderbar. Sie sprach mir gut zu, ermöglichte mir eine entspannte und selbstbestimmte, natürliche Geburt. Unterstützte mich nicht nur seelisch sondern auch körperlich. Unterstützte und bereitete meinen Damm vor, gab mir die Gewissheit in guten Händen zu sein und ich konnte mich somit fallen lassen und ganz auf mich konzentrieren. In so einer unbekannten Situation nicht alleine gelassen zu werden sondern immer jemanden da zu haben der einen unterstützt ist Gold wert. Meinem empfinden nach habe nicht ich alleine dieses Kind auf die Welt gebracht, sondern wir haben das zu dritt geschafft. Matthias war die ganze Zeit an meiner Seite, gab mir den Freiraum den ich wollte als ich ihn brauchte, war nahe bei mir als ich Nähe suchte und unterstütze mich die ganze Zeit. Hielt meine Hand, sprach mir gut zu, sagte mir, wie gut ich das mache und flößte mir immer wieder Wasser ein.
Ich habe mich schon so lange darauf gefreut – nicht nur auf unser Kind sondern darauf eine Geburt erleben zu dürfen. Zu erfahren wie sich das anfühlt. Nicht nur davon zu hören sondern es selbst spüren zu können. Und ich muss sagen: es ist eines der schönsten Dinge. Nicht der Schmerz, nicht die Angst oder das Warten (die doch so wie der Müll zur Nebensche werden können wenn man es zulässt) sondern die Kraft, die Ausdauer und die schönste Belohnung die man sich nur vorstellen kann. Zu spüren wozu man fähig ist, seine Grenzen zu erleben und darüber hinauszuwachsen. Ich bin sehr dankbar so ein schönes und komplikationsloses Geburtserlebnis gehabt zu haben und lege euch wunderbaren Frauen ans Herz: habt Vertrauen in euch und euren Körper. Er ist dafür gemacht und ihr könnt das schaffen*. Bleibt offen und lasst den Schmerz zu – denn der geht wieder vorbei und der Lohn ist unbezahlbar!
Eure
A.M.
*Ich möchte anmerken, dass mir bewusst ist, dass nicht jede Frau so eine komplikationslose Geburt hat. Ich selbst kenne viele Frauen, die es sehr schwer hatten ihr Kind auf die Welt zu bringen und auch Hilfe dabei benötigt haben. Ich möchte damit nicht sagen, dass deren Körper nicht dafür gemacht ist oder dass sie irgendetwas falsch gemacht haben. Ich weiß, es gibt oft Schwierigkeiten oder Komplikationen, aber solchen Dingen stehen wir machtlos gegenüber. Ein Hoch besonders auf diese Frauen die schwere Geburten durchstehen – ihr seid besonders bewundernswert!
5 comments
Also ich – vor fast 6 Jahren – schwanger wurde stand für mich von Anfang an fest, das ich mir einen Hebamme suche die mich begleitet und der ich vertrauen kann. Das ich schlussendlich bei einer Hausgeburtshebamme gelandet bin und unser Kind zu Hause bekommen habe hätte ich mir zu Beginn meiner Schwangerschaft oder auch vorher nie gedacht. Mich schmerzt es, wenn ich lese wie Frauen mit Timelines unter Druck gesetzt werden ihre Kinder zu gebären, und noch mehr entsetzt es mich, dass dies von der Gesellschaft als normal angesehen wird. Ich habe vor der Geburt nur meinen Eltern und einer Freundin von der geplanten Hausgeburt erzählt um mir Diskussionen zu ersparen. Bei uns lief schlussendlich auch nicht alles nach Plan und wir hatten ziemlich schwere Tage, aber ich habe es nicht bereut mein Kind zu Hause in gewohnter Umgebung, ohne Stress und selbstbestimmt zu gebären. “Zu spüren wozu man fähig ist, seine Grenzen zu erleben und darüber hinauszuwachsen.” ist ein sehr treffender Satz! Ich will die Medizin nicht schlecht reden, sie ist oft notwendig und lebensrettend. Aber zu erleben wie Frauen unter Druck gesetzt werden wenn der EGT überschritten wird oder sie einen Blasensprung ohne Wehen haben … da brauch ich doch kein Psychologe sein um zu erkennen das diese Methode nicht zielführen ist. Danke für diesen tollen Artikel!
Liebe Lisi,
danke für deinen Kommentar! We gerne hätte ich eine Hausgeburt gehabt! Ich finde es auch erschreckend wie viel Druck auf einen ausgeübt wird, wie sehr auf Daten und Zahlen Rücksicht genommen wird anstatt auf Gefühle und Selbstbestimmtheit. Natürlich ist die Medizin großartig, aber sie ist eben auch einfach nicht immer notwendig. Und da wo sie nicht notwendig ist, sollte sie sich nicht einmischen, sondern die Natur einfach machen lassen. Ich bin sehr dankbar, dass ich dank meiner Hebamme ein gutes Geburtserlebnis haben konnte und möchte mir gar nicht ausmalen wie es ohne sie gekommen wäre. Leider hat halt auch das Krankenhauspersonal seine Deadlines und Richtlinien an die sie sich halten müssen. Um so wunderbarer zu hören, wenn Frauen die Geburt als etwas positives und stärkendes erfahren dürfen!
Alles Liebe,
Annemarie
Ein schönes pladoyer für die selbstbestimmte geburt 😀
Toll geschrieben! Man kann sich sehr gut reinfühlen…eine Geburt ist etwas äußerst emotionales, war auch bei mir so, wo es gut tut zu wissen, dass man dabei herzlich begleitet wird…vor allem dann, wenn man gerade selbst nicht weiß, wie es weitergehen soll. Schön, wenn man dann jemanden an seiner Seite hat! ❤️
Danke für den tollen Eintrag! Ich kann es kaum erwarten, dass die nächsten 6 Wochen rum gehen. 😉 und ich freu mich euch drei bald wieder zu sehen.